Die Tagebücher und Tagzettel des Kardinals Ernst
Adalbert von Harrach (1598-1667). Edition und Kommentar
In
der historischen Forschung lässt sich europaweit in den letzten
Jahren ein verstärkter Trend zur kulturhistorischen Erweiterung
von Fragestellungen auch in traditionellen Forschungsbereichen erkennen.
In diesem Kontext werden neue Quellengruppen erschlossen und bekannte
Materialien neu gelesen. An prominenter Stelle sind hierbei Selbstzeugnisse
zu nennen: Briefe, Chroniken, Autobiographien, Tagebücher etc. Ziel
des Projektes war es, eine solche Quelle, die Diarien und Tagzettel
des Kardinal-Erzbischofs von Prag Ernst Adalbert von Harrach (1598-1667),
der internationalen Forschung durch eine Edition zugänglich zu machen.
Die 54 überlieferten Jahrgänge der Diarien
in italienischer und Tagzetteln in deutscher Sprache stellen nicht
nur eine erstrangige Quelle zur Geschichte der Habsburgermonarchie
gerade für die schlecht dokumentierten Regierungszeiten Ferdinands
II. und Ferdinands III. dar. In ihrem Umfang, ihrer inhaltlichen
Differenziertheit und ihrer Aussagekraft sind die Texte Quellen,
deren Bedeutung den mitteleuropäischen Raum weit überschreitet.
Sie dokumentieren weit mehr als den Lebensweg und die Lebensräume
eines Adligen; sie machen ein System des Informationsaustausches
innerhalb adliger Familien- und Freundschaftskreise sichtbar, das
sich im Bezugsfeld Wien – Prag – Rom im 17. Jahrhundert etabliert
hatte. Der Kardinal stellte eine Schnittstelle, einen Vermittler
innerhalb dieses Bezugsfeldes dar. Somit sind seine Diarien und
Tagzettel nicht nur Dokumente, die Handlungsfelder einer Person
in ihrem Amt, im familiären Kontext oder im Rahmen der adligen Gesellschaft
der habsburgischen Erblande erkennbar und beschreibbar machen. In
den Niederschriften Kardinal Ernst Adalberts von Harrach verbinden
sich europäische Politik und Entwicklungen in den habsburgischen
Erblanden, kulturelle Einflüsse aus Italien mit solchen aus Mitteleuropa
ebenso wie Gegenreformation und Pietas Austriaca.
Kennzeichnend für die Tagebücher und Tagzettel ist insbesondere
ihre inhaltliche Vieldimensionalität, die sie zu Quellen für zahlreiche
Forschungsfelder und historisch arbeitende Fächer macht. Germanistisch-sprachwissenschaftliche
Arbeiten erhalten hier ebenso umfangreiches Material wie romanistische
Studien – 27 Jahrgänge sind in italienischer Sprache verfasst. Kunstgeschichte,
Theatergeschichte, Musikgeschichte sind ebenso zu nennen wie Medizingeschichte,
Volkskunde oder historische Klimaforschung. Das Vorhaben stellt
nicht nur der Forschung umfangreiche und inhaltlich sehr differenzierte
Quellen zur Verfügung. Der Kommentarband dient zugleich der historischen
Einordnung des umfangreichen Corpus und zeigt mögliche inhaltliche
Auswertungsrichtungen auf. |